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Vis-à-Vis24

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Ein verdrängtes Problem: 24-Stunden-Pflege vor dem Aus? Im Alter zu Hause gepflegt werden, das wünschen sich die meisten Deutschen. Viele holen sich dafür Unterstützung ins Haus: 24 Stunden am Tag. Doch nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist die Zukunft dieses Pflegemodells ungewiss.

Von Beate GreindlKilian Neuwert

Bernhard Radinger sitzt seit einem schweren Schlaganfall im Rollstuhl. Geistig ist er noch fit und aktiv. Doch der 73-Jährige aus Augsburg braucht Unterstützung, er ist pflegebedürftig. Bei ihm im Haus wohnt deshalb Marian aus Rumänien. Sie seien ein eingespieltes Team, sagt Radinger. Marian könne er vertrauen. Der Rumäne kümmert sich um den Haushalt: Er kocht, putzt, kauft ein. Er wäscht Bernd Radinger und begleitet ihn zur Toilette. Auch in der Nacht kann er helfen, wenn es sein muss. Doch dieses Modell der sogenannten 24-Stunden-Pflege ist gefährdet, warnen Pflegeverbände und der Sozialverband VdK. Laut VdK droht gar ein "Armageddon der häuslichen Pflege".


Strenges Urteil Hintergrund ist ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Das hatte im Sommer entschieden, dass der gesetzliche Mindestlohn auch ausländischen Betreuungskräften zusteht. Allerdings nicht nur tagsüber, sondern auch während Bereitschaftszeiten in der Nacht. Während das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium das Urteil der Erfurter Richter im Juni noch als "wegweisend" begrüßte, drang während der Koalitionsverhandlungen wenig Konkretes zur Altenpflege nach draußen. Auch das veröffentlichte Sondierungspapier der Ampelkoalitionäre enthält lediglich vage Aussagen. Dabei wünschen sich Menschen wie Bernhard Radinger aus Augsburg dringend Rechtssicherheit. Nach dem Urteil drängt für sie die Zeit.

Nicht finanzierbar Radinger zahlt derzeit etwa 3.000 Euro im Monat für die Betreuung in seinen eigenen vier Wänden. Er wohnt mietfrei im eigenen Haus, bezieht eine gute Rente. Doch wenn er die Vorgaben aus dem Urteil auf seinen Fall anwenden würde, müsste Radinger künftig drei Personen beschäftigen, im Schichtdienst. Die Kosten lägen dann bei geschätzt 9.000 Euro pro Monat. Das sei nicht mehr finanzierbar, sagt der pensionierte Fotograf. Droht mehr Schwarzarbeit? Seriöse Vermittler von Personal und Pflegeverbände wie der Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege fürchten nun, dass das Urteil noch mehr Menschen hin zur illegalen Beschäftigung von Pflegekräften treibt. Anderes könnten sich viele nicht mehr leisten, so die Annahme. Beobachtern zufolge ist in der Branche illegale Beschäftigung bereits jetzt weit verbreitet. Der Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege schätzt gar, dass derzeit rund 90 Prozent der rund 700.000 osteuropäischen Betreuungskräfte, die im Laufe eines Jahres in Deutschland arbeiten, illegal tätig sind. Fachleute schlagen deshalb Alarm: Ausbeutung seien Tür und Tor geöffnet. Kontrollen gebe es keine.

Angst vor dem Pflegeheim Glaubt man Branchenkennern, ist die Altenpflege deshalb in einem Dilemma gefangen. Denn die wenigsten Menschen in Deutschland wollen ins Altersheim, die Pflege zu Hause aber ist oft schwierig zu organisieren oder teuer. Eine repräsentative Befragung durch die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers aus dem Jahr 2017 lässt gar darauf schließen, dass der Gedanke, in einem Pflegeheim betreut zu werden, 80 Prozent der Deutschen Angst macht. Nur sechs Prozent würden sich laut der Studie freiwillig für einen stationären Aufenthalt in einem Pflegeheim entscheiden.

Vorbild Österreich Wenn es um Erleichterungen für die Pflege zu Hause geht, blickt mancher gern über die Grenze nach Österreich. Dort gilt seit dem Jahr 2007 das Hausbetreuungsgesetz. Es ermöglicht, ausländische Betreuungskräfte im eigenen Haushalt mit klarer Rechtsgrundlage zu beschäftigen. Die Betreuungskräfte arbeiten entweder selbständig oder werden von der pflegebedürftigen Person angestellt. Beide Modelle fördert der Staat unter bestimmten Voraussetzungen. Selbstständige Tätigkeiten überwiegen in den Augen von Beobachtern, auch wenn Anstellungsverhältnisse höher bezuschusst werden. Bei einer Anstellung sind in Österreich auch Arbeits- sowie Pausenzeiten klar geregelt – genau wie der Bereitschaftsdienst von Betreuungskräften.

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